Ahnungsvoll?

† † † Beim Stöbern in alten Texten und Layouts (ich war mal richtig gut, phager) habe ich auch einen Text aus 2007 gefunden, der zumindest irritierend vorausahnend war, obwohl es eigentlich um meine Gesamtlebenseinstellung zu der Zeit ging, um ein Miteinander und nicht wirklich um eine akute Erkrankung.

Miriam und ich haben den dann gemeinsam gelesen, und uns war nach Heulen zumute. Darum geht’s: Eigentlich sollte das ein © by Amazon humorvolles Buch sein, arglos gekauft und verschenkt an mich, zum Zeitvertreib, und damit ich ein bisschen was aus dem Ostalltag kennenlerne. Bei mir löste das etwas anderes aus. Unvorhersehbar für mich und die Schenkende.

Coverabbildung © by Amazon

 

Paul ist tot und beerdigt. Leber- und Bauchspeicheldrüsen- krebs. Inoperabel. Vorausgegangen sind lange Zeit Magenschmerzen und Müdigkeit. Gewichtsverlust. Wann immer man Gewicht verliert, Rückenschmerzen hat oder Müde wird trotz viel Schlaf, fragt man sich – so lange man Alfred Lohmann heißt und diesen ganzen Mist kennt – fragt man sich: „Hab ich schon gespült?“ Man beginnt, eine hektische Apathie an den Tag zu legen. Versucht, Ãœberblick über die eigene Gefühlswelt zu bekommen und so zumindest eine Sache bestimmen zu können. Das sind Auszüge aus meinem Text, also auch mein © by Alfred Lohmann: Du kannst den Krebs nicht besiegen. Du kannst ihn verwirren. So lange, bis die Zellen, die dich implodieren lassen durch ihr zerstörerisches Wachstum, verwirrt innehalten und sich neu formieren müssen. Mit Glück schaffen sie das nicht, bis du 70 bist und es wurscht wird. Mit Pech sieht dich dein Arzt an, raschelt mit deinem Befund und du lernst, dass „positiv“ auch „negativ“ bedeuten kann.

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Du willst klare Aussagen, Antworten. Du wirst unsicher, wenn etwas nicht so ist, wie es durch deine Eindrücke sein müsste. „Wenn, was wäre dann?“ wird zu einem feinen Spiel um die eigene Souveränität, das du mit schöner Regelmäßigkeit verlierst. Du alterst um Stunden um Jahre, weil du Fragen stellst, die keiner beantworten kann. Nicht du, nicht jemand. Niemand. Du willst nicht aufhören zu rauchen, du kannst nicht aufhören zu lieben, du wirst weiter Olivenöl essen. Das sind Auszüge aus meinem Text, also auch mein © by Alfred Lohmann: Du liegst da, sitzt, stehst, läufst und suchst nach diesem einen „Ja, im Moment“, von dem du weißt, dass es da sein muss. Also reimst du dir dein eigenes Gedicht über das, was sein müsste, und was dabei herauskommt, ist ein: „Könnte aber auch ganz anders sein“. Und dann willst du es wissen. Ist das nur ein „falsch gelegen“ oder ein Tumor? Zu viel Wein oder Schlaganfall? Zuneigung oder Zeitvertreib? Einer, oder einer unter anderen? Du willst das wissen, damit es dich nicht überrascht. „Sie haben da einen Tumor an der Leber“ – „Ich weiß“.

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Irgendwann hast du angefangen, dein Bild selbst dahingehend zu korrigieren, dass andere kaum auf die Idee kommen können, dass du nur unsicher darum flehst, dass dir jemand die Tropfen gibt, deine Hand hält, dir den Mund stopft, bevor du blödes sagen kannst, dir einen Zettel mit „momentanfürimmer“ schreibt, dich ansieht und sagt: „Okay, es ist okay, wirklich.“
Paul ist tot und die Antwort auf die Frage „entweder – oder“ kann nur lauten: „Es ist okay, wirklich. Momentan für immer“.

Das sind Auszüge aus meinem Text, also auch mein © by Alfred Lohmann:

[ » Das Buch kann über Amazon bestellt werden.

Eine Reaktion zu “Ahnungsvoll?”

  1. Anke

    Ich erinnere mich an den Text und habe mir damals gleich das Buch bestellt.

    Der Klappentext führt in die Irre, finde ich, man findet etwas anderes, als man eigentlich erwartet.
    Ich fand die Geschichte viel bedrückender, als sie angekündigt war, aber vielleicht auch, weil ich ja durch Deinen Text schon etwas eingestimmt war.