Standardfragen

Anmerkungen eines Darwinisten

Die kommen ja immer wieder. Hier ein paar Antworten.

Bereust Du irgendwas?
Klar. Aber die Adressatin weiß das, das ist besprochen, das ist vorbei.
Ein letzter Wunsch?
Ich wär gern noch mal Zuhause gewesen, hätte Hand in Hand das Alte Rathaus durchstriffen, die Stirn an das Neue Rathaus gelegt und Softeis gegessen, während ich auf die Thomaskirche gucke. Das war aber derart unrealistisch, dass ich auch das losgelassen habe. Das ist vorbei.
Hast Du Angst?
Ja, manchmal.
Glaubst Du an ein Leben nach Deinem Tod?
Ja. Ihr werdet leben.

Kleine Anekdote: Zu meiner Beerdigung wird voraussichtlich Snow Patrol’s „Open your Eyes“ gespielt. Pe’s Kommentar: „Nix da, wennn du in der Kiste liegst, lässt du die schön zu!“ 😀 😀 Allein dafür könnte ich meine Schwester Stunden lang knutschen. Ich liebe dich auch dafür, Pe 🙂

Kannst Du begreifen, was da mit Dir passiert?
Nicht wirklich. Tod ist ein unfassbares Konzept für Lebende. In einer CO hab ich das mal thematisiert.
Hättest Du Dein Leben anders gelebt mit diesem Wissen?
Ich glaube: nein. Ich hatte trotz oder wegen all dem ein buntes, aufregendes, geiles Leben. Ich wurde geliebt, begehrt, angenommen und hab im letzten Moment ein Zuhause gefunden in LE und mit der Sächsin in meinem Leben. Soll ich mich beschweren? Weil’s manchmal schlimm und hakelig war? Herrje.

Noch Fragen, Kienzle?

*PS: Das war kein „Das war’s jetzt, klar? 😉

PS II: Erinnerst Du noch, phager? Du warst gespannt, welche Philosophie sich mir mit meiner Krankheit offenbaren würde – ist schon was länger her. Wie findste die? Nicht schlecht für ’nen metastasischen Sturkopf, he?

19 Reaktionen zu “Standardfragen”

  1. phager

    ad ps II:

    ich finde sie sehr gut, du alter sturkopf (rede dich bloß nicht auf die metastasen aus, das warst du immer schon).
    sie klingt weitgehend versöhnt und so, als würdest du den kleinen rest, der noch nagt, locker schaffen. reif, aber nicht pathetisch. ehrlich und realistisch. und man hört das kind im alf deutlich heraus und es ist schön, dass es trotz allem noch da ist.
    ich hoffe, ich werde – wenn es eines tages so weit ist – im stande sein, so sauber zusammenzufassen, und so bewusst „die formalitäten zu regeln“, wie du jetzt.

    danke für die antworten auf die fragen, die ich (und vielleicht auch andere hier) nicht zu stellen wagte. und dass du uns teilhaben und dadurch (für’s leben und für’s sterben) lernen lässt.

    ich schaue zur zeit ziemlich zu dir auf. braucht aber keiner wissen, ja?

    ——————————–

    ps. in deiner auflistung hast du vergessen, dass du manchmal auch leidenschaftlich gehasst wurdest – das kann sich nicht jeder auf sein fähnchen heften, das muss man sich auch erst mal verdienen!
    ;^)

  2. Alfred Lohmann

    Danke, graue Eminenz.

    Zu mir aufschauen? Mir? Du bist verrückt.

    ad ps: Wie wahr 🙂

  3. phager

    maaannn. ich wusste doch, dass du es breittreten würdest. braucht keiner wissen, sagte ich, du ho… hmmm. wollte dich gerade „hohlkopf“ nennen, muss mir aber wohl was anderes einfallen lassen …

    und das mit dem grau nimmst du auch zurück. ich bin zwar eine alte schachtel, aber meine haarfarbe ist immer noch NATUR! nix grau. also, kaum jetzt …

  4. Alfred Lohmann

    Das mit dem Grau ist respektvoll gemeint, Schmähtante *heimlichdrück*

  5. phager

    *demonstrativ rauswurstel* igitt!

    ;^D)))

  6. pixeltraeume

    ach, ihr zwei seid ja zu köstlich…ach alf, ich habe nicht annähernd so viel mut wie phager um fragen zustellen oder antworten zu finden und zu geben…nur eins ganz, ganz ehrlich gemeint von mir: ich trage dich in meinem Herzen…so nun isses raus…schick ich es ab oder nicht…los…raus

  7. Alfred Lohmann

    Keine Hemmungen, pixelchen. Wirklich. Ich antworte gern. Ich hab euch zu der Party hier eingeladen, also nutzt das, wenn ihr mögt. Wenn es euch irgendetwas bringt oder ihr nur schon mal wissen wolltet … Nur Mut.

  8. Annazwo

    Wie verbringst Du gerade Deine Tage? Okay, manchmal sitzen + – fünf Menschen um Dich herum, zuzüglich die Plagegeister aus dem Blog und essen tust Du ja auch. Davon abgesehen: Wie oft denkst Du (oder musst Du denken) ans Sterben und an Deinen Tod? Wie ist das im Hospiz? Besucht man sich gegenseitig oder klärt lieber jeder für sich selbst die Dinge, die zu klären sind?

    Deine Antworten auf die „Standardfragen“ beeindrucken mich sehr, mal stark untertrieben formuliert. Und allmählich gehen mir die Hüte aus, die ich vor Dir ziehe.

  9. Alfred Lohmann

    Kontakt habe ich hier nur zu den Pflegekräften und ein paar wenigen Besuchern. Die meisten Gäste (nicht: Patienten) sind älter, bleiben in ihren Räumen. Ich bin wohl der jüngste und mobilste Gast zurzeit.

    Ans Sterben denke ich jeden Tag. Mal ernst, mal verächtlich. Aber klar, das ist immer präsent. Ich versuche aber nicht, Antworten zu finden oder zu viele Fragen aufzuwerfen. Das könnte mir die Restzeit verderben, denke ich. Also gehe ich abends ins Bett, wette, dass ich wieder aufwache – und gewinne. Sogar wenn ich nicht aufwache. Hier hält ja auch keiner dagegen.

    Ansonsten schlafe ich zwischendurchrede mit dem ein oder anderen aus dem Personal mal länger mal kürzer, regle ein bisschen was, sehe fern. Gönne mir sogar de Luxus, mich mitunter zu langweilen.

  10. venus

    Langeweile???

    Ich dachte du bekommst unter anderem Frauen nach Bedarf?! 😉

  11. Alfred Lohmann

    Ja, aber nur langweilige *ggg*

  12. Mosquita

    mir läufts da echt kalt den rücken runter, wenn ich das hier so les. die antworten auf die standartfragen sind richtig klasse. ich glaub, mir geht es wie Annazwo. ich bewundere dich dafür, wie du mit diesem thema umgehst.

  13. phager

    ok, eine frage habe ich. ich wüsste gerne, in welchem tonfall „Ja. Ihr werdet leben.“ zu lesen ist. ich kann es in mindestens 5 unterschiedlichen, jeweils möglichen und glaubwürdigen tonfällen/bedeutungen lesen, kann aber nicht rausfinden, in welchem tonfall es geschrieben wurde …

  14. Alfred Lohmann

    phager Fr̦hlich, aufmunternd, Glaubensquatsch ablehnend. Nicht bedauernd, nicht neidisch, nicht sehnsuchtsvoll. Zuversichtlich und Рbefreit. So in etwa.

  15. phager

    geil …

  16. Ruthy

    Danke, daß Du meine, auch nie gestellten, Fragen beantwortet hast.
    Hüte hab ich zwei und die sind längst gezogen…

  17. qba

    Danke.

    Auf Deine alten Tage wirst Du mir richtig sympathisch. Meine Hochachtung.

    Eins noch, wenn man hier alles Fragen darf: Hast Du Dir schon berühmte letzte Worte zurechtgelegt? 🙂

    (manchmal raffe ich das immer noch nicht, dass das hier kein film ist, sondern das wahre leben)

  18. Alfred Lohmann

    Die sind schon gesagt. Ich glaube, als allerletztes werd ich schnaufen, und das wird ein enrücktes, entspanntes, glückliches Schnaufen sein.

  19. qba

    Hört sich gut an.

    Ganz ehrlich ich möchte nicht mir Dir tauschen, aber Du versprühst hier eine unglaublich tolle innere Ruhe und einen Frieden von denen ich mich gern anstecken lasse 🙂